Unsere Schulen: Im Rückblick alles wie immer

Inspiriert von einigen aufschlussreichen Blog-Beiträgen und Artikeln möchte ich heute meinen Blick zurück in meine Schulzeit richten. Ich habe mich gefragt, was hat sich geändert, was ist besser geworden, was schlechter. Wie gesagt, ich bin inspiriert, mich an einige Details zu erinnern. Achtung, Oma erzählt von früher.

Nein, früher war nicht alles besser. Im Gegenteil, es gibt einige grundsätzliche Gemeinsamkeiten, wenn ich meine Schulzeit mit der meines Sohnes und der heutigen Situation an den Schulen vergleiche. Drei Generationen, dreimal das Problem Lehrermangel. Dreimal das Problem technische und räumliche Ausstattung der Schulen, dreimal mangelnder Mut, das Schulsystem nachhaltig zu reformieren.

Schulraumnot und Lehrermangel

Ich bin ein sogenanter “Babyboomer”, meine Schulzeit (1966-1977) war geprägt durch “überraschend viele” Schüler*innen. Es fehlten folglich Lehrer*innen und Schulraum. In dem Gymnasium, das ich ab 1969 besuchte, entwickelte sich die Schülerzahl beispielsweise von ca. 1000 im Jahr 1970 zu einem Schülerberg von 1760 SchülerInnen. Wir saßen im dort teilweise mit knapp 40 MitschülerInnen in einem Klassenraum, der vorher gar keiner war. Die Tische waren so angeordnet, dass es nur einen Gang – von der Tür bis zum Lehrerpult gab. Wir mussten über die Tische hinweg zu unseren Plätzen klettern – in diesem Alter überhaupt kein Problem, klar. Sicherheit? Fehlanzeige. Im Falle eines Brandes hätte der/die Letzte eben Pech gehabt. Die Lehrer*innen hatten ja ihren “Fluchtweg”.

Zum Glück war man in den 1970ern nicht so ängstlich wie heute und die Sicherheits-Vorschriften entsprechend frei interpretierbar, scheint mir. Ich persönlich erinnere mich an die schlechte Luft, da das Lüften erschwert wurde, weil die großen Fensterflügel gleich mal 10-12 Leute wegrasiert hätten. Also saß man da im Mief und Muff, in froher Erwartung des Schulschlusses. (Muss jetzt mal zwangsläufig an die Abstandsregeln wegen Corona denken…). Ich vergaß zu erwähnen, dass unser Schulgebäude 1968 bezugsfertig war. Es war praktisch nagelneu als ich 1969 „einzog“.

Meine Schule war für damalige Verhältnisse sehr modern und besaß unter anderem ein “Sprachlabor”. Ich glaube, ich habe dieses Wunderwerk der damaligen technischen Errungenschaften nur 2-3 Mal nutzen dürfen. Grund war – wie soll es anders sein – dass ständig irgendwas kaputt war. Damals funktionierte es noch mit Hilfe von Tonbandgeräten am Lehrerpult und Kopfhörer/Mikrofonen an den Schülertischen. Entweder waren die Tonbänder, die Tonbandgeräte, die Kopfhörer oder die Mikrofone defekt oder die eine oder andere Lehrkraft nicht in der Lage, die Anlage zu bedienen. Kommt dir bekannt vor? Sag ich doch. Ebenso ging es mit anderen technischen Hilfsmitteln. Für Blaupausen fehlte entweder Papier oder Blaue Farbe oder sonstwas. Der Filmprojektor kam immer an letzten Schultagen vor Ferien zum Einsatz und alle zitterten, ober er denn auch funktionieren würde. Und wenn, gab es auch schon mal Probleme mit der Handhabung, so dass pfiffige Schüler*innen hier zum Einsatz kamen. Übrigens, das Thema “Schultoiletten” war auch damals ein Ärgernis.

Immer kommt alles ganz plötzlich

Ja, wir waren viele. “Ganz plötzlich und unerwartet.” Klar, dass dann Ende der 1960er/ 1970er Jahre viele Neubauten geplant und errichtet wurden. Und natürlich warb man an den Universitäten für das Lehrer-Studium. Doch siehe da – plötzlich fehlten die SchülerInnen wegen des “Pillenknicks”. Und gleichzeitig gab es plötzlich zu viele Studenten, so dass der NC eingeführt wurde. in den 1980ern noch die Katastrophe von Tschernobyl. Klar, die Geburtenzahlen gingen nochmal runter. Ok, Lehrer konnten auch als Datentypisten arbeiten oder sonstwie sinnvoll eingesetzt werden.

Hoffnung, und damit auch wieder steigende Geburten gab es dann nach dem Mauerfall. Auch ich spürte den Wind of Change und fasste Mut, ein Kind in die Welt zu setzen. Du weißt schon, was jetzt kommt? Klar, als mein Sohn 1998 eingeschult wurde, gab es wieder die alten Probleme. Ich verzichte darauf, mich zu wiederholen und frage mich stattdessen, wieso ein Schulsystem so träge sein kann. Steigende oder fallende Geburtenraten haben für die Planung immer einen Vorlauf von mindestens 6 Jahren. Ich verstehe das nicht. Immer kommt alles ganz plötzlich.

Die Schulzeit meines Sohnes war geprägt vom PISA-Wahnsinn. Wir sind öfter umgezogen. Ein neues Bundesland bedeutete immer ein neues Schulsystem. G9, G8, G9 – mal 12, mal 13 Schuljahre. Überhaupt nicht kompatibel: Von Hessen nach Bayern nur mit Gutachten und 2er Durchschnitt, von Bayern in das Saarland einfach durchgewunken. Ach, was kost´die Welt – egal, die Kinder packen das schon.

Mein Fazit

Ich halte es da mit Kurt Tucholsky: „Weltfragen werden nicht beantwortet, sondern vergessen. Große Probleme werden nicht entschieden, sondern liegengelassen.“

Die Politik ist zu wirklichen Reformen nicht fähig. Es gilt, zu viele gegenläufige Interessen zu befriedigen. Und am Ende bleiben wieder Bildung und Chancengleichheit auf der Strecke.


Hier noch einige sehr interessante Links für Interessierte:

https://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/zukunft-bildung/229702/schulgeschichte-nach-1945

https://www.deutschlandfunk.de/die-deutsche-bildungsreform.1184.de.html?dram:article_id=185314

https://www.deutschlandfunk.de/die-deutsche-bildungsreform.1184.de.html?dram:article_id=185315



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