ADHS am Arbeitsplatz – Gedanken und Erfahrungen

Was schon in der Schulzeit zu großen Problemen führte hat sich im Berufsalltag keineswegs verbessert, ganz im Gegenteil. Ein Problem möchte ich besonders hervorheben, weil es mich im Rückblick doch sehr belastet hat. Ich spreche von der Beziehung zu den Arbeitskolleg*innen. Auf zweierlei Weise hat mich das Verhältnis zu ihnen stark belastet, soll heißen, ich wusste nie so recht wo ich dran war und musste mir ständig eine Maske aufsetzen, was mich zunehmend überforderte.

Optimales Mobbingopfer

Wie ein naives Kind war ich Mobbing schutzlos ausgesetzt. Ich hatte Intrigen und „falsches“ Geschwätz einfach nicht auf dem Schirm. Ich sehe Menschen grundsätzlich erst einmal von ihrer positiven Seite und zwar so lange, bis sie ihr wahres Gesicht zeigen und auch der gutgläubigste begreift, dass er sich geirrt hat. Es konnte auch vorkommen, dass ich auch dann noch die Ursache für ein unharmonisches Miteinander bei mir selbst gesucht habe. Oft kamen Hinweise von mir wohlgesonnenen Kolleg*innen, genauso oft habe ich ungläubig abgewunken. Die Realität hat mich irgendwann eingeholt und das eine oder andere Mal in die Dunkelheit der Depression gezogen. Wahrlich symptomatisch für erwachsene ADHSler, wir nehmen alles persönlich und zu oft die Schuld auf uns. Die Ursache liegt wohl am mangelnden Selbstwertgefühl. Schließlich haben wir über viele Jahre hinweg gelernt, dass WIR nicht richtig funktionieren.

Mangelnde Exekutivfunktionen als Stolpersteine

Als sei das nicht schon Problem genug gab es Schwierigkeiten, wenn ich Aufgaben termingerecht ausführen und komplexe Projekte bewältigen musste. Der Druck war oft zu groß, was ich aber niemals habe kommunizieren können. Ich brauchte im Prinzip mehr Zeit, weil ich z.B. viele Flüchtigkeitsfehler gemacht habe und diese immer gleich verbessern wollte. Es war so ein „Zwei Schritte vor, einen zurück“. Mir fällt da ein Beispiel aus meiner Tätigkeit als Redaktionsassistenin ein. Ich musste viel am Computer schreiben, oftmals nach Diktat. Ich versuchte so schnell zu tippen, dass mir bei jedem zweiten Wort ein Fehler unterlief, den ich schnell verbesserte. Ich merkte immer schon während des Schreibens wenn etwas nicht richtig war und so brachte ich es zu einer wahnsinnig schnellen Korrektur-Fähigkeit um die Zeitverzögerung auszugleichen. Ich weiß heute noch nicht, wie ich trotzdem zu einer enorm schnellen Arbeitsweise fand.

Maskieren als Dauerlösung

Natürlich war gleichzeitig wichtig, dass niemand merkte mit welchen Schwierigkeiten ich zu kämpfen hatte. Ich hatte regelrecht Angst vor Kritik und Zurückweisung. Das war einfach nur anstrengend. Zu oft setzte ich meine Maske auf und suggerierte damit meinen Vorgesetzten, dass ich flexibel, schnell und zuverlässig sei. Diese glaubten das gerne und ich rettete mich in gewissen Zeitabständen in Krankheiten oder wechselte sogar spontan den Arbeitgeber.

Häufiger Arbeitsplatzwechsel ist tatsächlich bei vielen Erwachsenen mit ADHS ein Symptom, sei es weil es uns schnell langweilt wenn die Tätigkeit zur Routine wird, sei es, weil wir überfordert sind und quasi „flüchten“. Viele kämpfen im Arbeitsleben mit mangelnder Konzentrationsfähigkeit oder verspäten sich ständig, andere können Zeit nicht richtig einschätzen und kommen – so wie ich auch – aus Angst sich zu verspäten immer zu früh.

Zeichnung einer Frau die mit hochgezogenen Schultern und gebeugtem Rücken steht. Ihr Gesicht sieht traurig aus.

Häufiger Arbeitsplatzwechsel ist tatsächlich bei vielen Erwachsenen mit ADHS ein Symptom, sei es weil es uns schnell langweilt wenn die Tätigkeit zur Routine wird, sei es, weil wir überfordert sind und quasi „flüchten“. Viele kämpfen im Arbeitsleben mit mangelnder Konzentrationsfähigkeit oder verspäten sich ständig, andere können Zeit nicht richtig einschätzen und kommen – so wie ich auch – aus Angst sich zu verspäten immer zu früh.

Das alles geschah, als ich noch garnicht wusste, dass ich ADHS habe. Die Ärzte sprachen von Burnout und Depressionen. Die (Autoimun-)Erkrankungen, die ich über Jahre hinweg entwickelte, wurden separat behandelt (Hashimoto, Sarkoidose, Diabetes). Erst nach meiner Diagnose ADHS konnte ich das ganze Dilemma nach und nach für mich einordnen. Das Masking kann ich erst heute als solches sehen, vorher dachte ich im Ernst ich sei an allem Schuld, unfähig und blöd. Was das langfristig aus einem Menschen macht, kann man sich denken.

Deswegen auch mein Appell an alle Eltern, Lehrer und Ärzte:

Schaut hin und handelt. ADHS „verwächst“ sich nicht. Im Gegenteil für erwachsene Betroffene ohne Diagnose kann sie zur Hölle werden und damit zu geraubter Lebenszeit.

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