Autismus: Die andere Wahrnehmung

Aufgrund der aktuellen Nachfrage, habe ich versucht, einen Info-Artikel zur Autismus-Spektrum-Störung (ASS) zu schreiben. Nicht zuletzt, weil ADHS-Betroffene nicht selten auch diesem Spektrum zuzuordnen sind, finde ich es wichtig, über Autismus zu informieren. Bei meinen Recherchen fiel mir auf, dass – entgegen etlicher Stimmen aus der Community – immer noch eine strikte Unterteilung der Autismus-Varianten (vor allem in der Ärzteschaft) vorgenommen wird. Ich persönlich schließe mich den betroffenen Insidern an und begreife Autismus als Variante im neurodivdergenten Spektrum, dem ich als ADHSlerin ebenfalls angehöre. Ähnlich wie bei der ADHS gibt es auch im autistischen Spektrum eine Vielzahl individueller Symptome und dennoch möchte ich hier einige der „Klassiker“ erwähnen. Im Grunde geht es doch darum, für Neurodivergenz zu sensibilisieren.

Frühkindlicher Autismus

Die Merkmale des frühkindlichen Autismus zeigen sich bereits vor dem dritten Lebensjahr und in drei Bereichen besonders deutlich:

  • im sozialen Umgang mit mit Menschen (Vermeiden von Blickkontakt/Körperkontakt, wenig Intreresse an gemeinschaftlichem Spiel)
  • in der Kommunikation (wirkt wie taub, auffällige Sprache/Echolallie, können Anlass für Kicher und Lachen nicht immer erkennen, Äußerung von Bedürfnissen durch hinführen),
  • in sich wiederholenden und stereotypen Verhaltensweisen (Bewegungen können seltsam wirken, Schwierigkeiten mit Veränderungen, Spiel an Routinen orientiert).

Autismus ist eine Störung der sozialen Interaktion und der Kommunikation, die in ihrer häufigsten Form als Autismus-Spektrum-Störung (ASD) diagnostiziert wird. ASD ist keine klar definierte Krankheit, sondern eher ein „Spektrum“ von Symptomen, die auf unterschiedliche Weisen auftreten können. Autismus-Spektrum-Störungen sind in der aktuell gültigen Fassung der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten, ICD-10, von der Weltgesundheitsorganisation WHO, den tief greifenden Entwicklungsstörungen F. 84.0 zugeordnet und als medizinische Diagnosen definiert. Es wird zwischen frühkindlicher Autismus (F84.0), Asperger Syndrom (F84.5) und atypischer Autismus (F84.1) unterschieden. Die Unterscheidung fällt in der Praxis jedoch immer schwerer, da zunehmend leichtere Formen der einzelnen Störungsbilder diagnostiziert werden. Daher wird häufig der Begriff der Autismus Spektrum Störung ASS (ASD) als Oberbegriff für das gesamte Spektrum autistische Störung verwendet.

Menschen mit Autismus können soziale und emotionale Signale nur schwer einschätzen und haben ebenso Schwierigkeiten, diese auszusenden. Die Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen oder Verhaltensanpassungen an soziale Situationen sind selten angemessen. Deutlich eingeschränkt ist auch das Imitationsverhalten von Menschen mit Autismus was Auswirkungen auf die Entwicklung des „So-tun-als-ob-Spiels“ und des nachahmenden Spieles hat.

Im Bereich der Kommunikation sind die Entwicklung des Sprachgebrauchs und Sprachverständnisses gleichermaßen betroffen. Dadurch sind wechselseitiger Gesprächsaustausch, Flexibilität im Sprachausdruck und in der Sprachmelodie ebenso wenig ausgeprägt wie die begleitende Gestik, durch welche die sprachliche Kommunikation betont oder ihr Sinn unterstrichen werden würde.

Die Besonderheiten im Verhalten sind charakterisiert durch eingeschränkte, sich wiederholende und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten. Alltägliche Aufgaben werden starr und routiniert ausgeführt. Kinder können darauf bestehen, bestimmte Handlungsroutinen in bedeutungslos erscheinenenden Ritualen auszuführen. Es können sich ständig wiederholende Beschäftigungen mit Daten, Fahrrouten oder Fahrplänen ergeben. Motorische Stereotypen wie schaukeln, wedeln, kreiseln von Dingen sind häufig zu beobachten, ebenso wie ein außergewöhnliches Interesse an Teilaspekten von Objekten (zum Beispiel wie diese riechen oder sich anfühlen).

Menschen mit Autismus können große Probleme mit Veränderungen von Handlungsabläufen oder Details der persönlichen Umgebung (wie etwa Veränderung der Dekoration oder der Möbel in der Wohnung, Veränderung der Kleidung, etc.) haben und zum Teil sehr stark auf diese Veränderung reagieren.

Neben diesem Merkmal neigen Menschen mit Autismus häufig auch noch zu einer Reihe weiterer psychischer Begleitstörungen, wie übergroße Befürchtungen, Phobien, Schlaf- und Essstörungen sowie herausforderndes Verhalten in Form von Wutausbrüchen und fremd- oder selbstverletzenden Verhaltensweisen. Die meisten Menschen mit Autismus lassen Spontanität, Initiative und Kreativität vermissen. Sie haben Schwierigkeiten, Entscheidungen zur Bewältigung einer Aufgabe zu treffen, auch wenn die Aufgabe kognitiv zu bewältigen wäre.

Die Merkmale autistischer Störungen ändern sich mit zunehmenden Alter. Im Erwachsenenalter, mit weitgehend gleichbleibenden Voraussetzungen in der Sozialisation, der Kommunikation und den Interessen, bleiben Sie jedoch bestehen. Ebenso sind sie in ihrer Zusammensetzung und ihrem Ausprägungsgrad von Person zu Person unterschiedlich. Durch Autismus bedingte Beeinträchtigungen können zwar häufig gebessert oder kompensiert, aber nicht geheilt werden. Die meisten Menschen mit Autismus benötigen aufgrund der umfassenden Beeinträchtigungen eine lebenslange Hilfe und Unterstützung, deren Grad wiederum sehr unterschiedlich sein kann. Autismus ist unabhängig vom Intelligenzniveau, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Intelligenzminderung erhöht.

Atypischer Autismus

Diese Form der tiefgreifenden Entwicklungsstörung unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus entweder durch das Alter bei Krankheitsbeginn oder dadurch, dass die diagnostischen Kriterien nicht in allen genannten Bereichen erfüllt werden. Diese Subkategorie wird immer dann verwendet, wenn die abnorme oder beeinträchtigte Entwicklung erst nach dem dritten Lebensjahr manifest wird und wenn nicht in allen für die Diagnose Autismus geforderten psychopathologischen Bereichen (nämlich wechselseitige soziale Interaktionen, Kommunikation und eingeschränktes, stereotyp repetitives Verhalten) Auffälligkeiten nachweisbar sind, auch wenn charakteristische Abweichungen auf anderen Gebieten vorliegen. Atypischer Autismus tritt sehr häufig bei schwer retardierten bzw. unter einer schweren rezeptiven Störung der Sprachentwicklung leidenden Patienten auf.

Asperger Syndrom

Das Asperger Syndrom unterscheidet sich von anderen Autismus-Spektrum-Störung in erster Linie dadurch, dass oft keine Entwicklungsverzögerung bzw. kein Entwicklungsrückstand in der Sprache oder der kognitiven Entwicklung vorhanden ist. Die meisten Menschen mit Asperger Syndrom besitzen eine normale allgemeine, in Teilgebieten mitunter besonders hohe Intelligenz. Hingegen sind in der psychomotorischen Entwicklung und der sozialen Interaktion Auffälligkeiten festzustellen.

Keine Zahlen für Deutschland

Es liegen leider keine genauen Angaben zur Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störung in Deutschland vor. Trotz umfangreicher Forschungsergebnisse hat sich bislang noch kein umfassendes Erklärungsmodell herausgebildet, dass vollständig und schlüssig die Entstehungsursachen autistischer Störung belegen kann. So unterschiedlich sich die ursächlichen Faktoren für das Syndrom bisher darstellen, so vielfältig und jeweils an den Bedürfnissen des Einzelnen ausgerichtet sind auch die pädagogischen und therapeutischen Ansätze.

Diagnostik

Autismus ist eine komplexe Entwicklungsstörung, die viele Aspekte des Zusammenlebens beeinflussen kann. Die Diagnose Autismus kann schwierig sein, aber es gibt verschiedene Tests und Beobachtungen, die dazu beitragen können, eine Diagnose zu stellen. Einmal diagnostiziert, gibt es verschiedene Behandlungsoptionen für Menschen mit Autismus. Die Diagnose Autismus beginnt normalerweise mit einer umfassenden Bewertung durch einen Arzt oder Psychologen. Diese Art der Bewertung wird als psychiatrisches Assessment bezeichnet und beinhaltet Tests, Fragebögen und psychologische Verfahren, um herauszufinden, ob eine Person an Autismus leidet. Wenn die Ergebnisse des psychologischen Assessments vermuten lassen, dass jemand unter Autismus leidet, wird er in der Regel auch getestet, um andere mögliche Ursachen für sein Verhalten auszuschließen.

Nachdem eine Diagnose gestellt wurde, gibt es viele Möglichkeiten für Menschen mit Autismus, behandelt zu werden. Viele Therapien zielen darauf ab, den Betroffenen zu helfen ihre Fähigkeit zur sozialen Interaktion zu verbessern und sie bei der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten zu unterstützen. Eine dieser Therapien ist die Verhaltenstherapie (ABA), die speziell für Kinder mit Autismus entwickelt wurde und sich auf bestimmte Verhaltensweisen konzentriert. Andere Behandlungsoptionen umfassen Kommunikationstherapien und Ergotherapien sowie Medikamente gegen Angstzustände oder Depressionen.

Es ist wichtig zu betonen, dass jeder Mensch anders auf die Behandlung reagiert und es keine „Einheitsgröße“ gibt, die für alle Menschen mit Autismus gilt. Es ist daher entscheidend, dass jeder Betroffene individuell betrachtet wird und nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt eine Behandlung begonnen wird.

Autismus ist eine besondere Art der Wahrnehmung – aber das muss nicht bedeuten, dass Betroffene nicht in der Lage sind, zufrieden und/oder erfolgreich zu sein. Vielmehr bedarf es der richtigen Unterstützung und Behandlungsmöglichkeiten, um den Kindern und Erwachsenem mit Autismus ein glückliches Leben ermöglichen zu können. Mit dem richtigen Ansatz können Menschen mit Autismus je nach Schweregrad durchaus Erfolge erzielen – sowohl beruflich als auch persönlich – , wenn sie lernen, ihre Besonderheit als Stärke zu sehen und wir als Gesellschaft sie dabei unterstützen.



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