Normalerweise assoziiert man die ADHS mit Problemen in der Schule. Nicht wenige Fachleute sind auch der Meinung, dass ein Kind vor dem Schulalter diesbezüglich nicht diagnostiziert werden sollte, weil ein auffälliges Verhalten nicht sicher als neurologisches Problem identifiziert werden könne, sondern durchaus als “normales Verhalten” in dieser Altersstufe angesehen werden kann.
So weit so gut.
Ich habe in meiner Tätigkeit als Freizeitbetreuung von Kindern des neurodivergenten Spektrums (ADHS und ASS) die Erfahrung gemacht, dass es durchaus Kinder gibt, die massiv “aus dem Raster” fallen und bei denen schon früh ein auffälliges Verhalten erkennbar ist. In Kitas und in der Frühförderung ist dies durchaus bekannt und man weiß um die Probleme und Schwierigkeiten, die diese Kinder haben und leider auch machen.
Welche Auffälligkeiten lassen auf ADHS schließen?
Im Kindergarten fallen Kinder, die von einer ADHS betroffen sind, durch ihre Unfähigkeit zu ruhigen Beschäftigungen und häufig durch eine ausgeprägte Hyperaktivität auf. Die drei Kernbereiche lassen sich wie folgt aufschlüsseln:
Aufmerksamtkeits- und Konzentrationsstörung
- Abbruch von eben begonnenen Tätigkeiten/Spielen, vor allem bei denen, die ein schrittweises und planvolles Handeln erfodern.
- Die Unaufmerksamkeit lässt sich bei fremdbestimmten Beschäftigungen am Tisch, z.B. Malen und Basteln) und auch in strukturierten Gruppensituationen wie dem “Stuhlkreis” beobachten.
Impulsives Verhalten
- Das ADHS-Kind neigt zu plötzlichen und unüberlegten Handlungen, ohne die Folgen zu bedenken (kein Gefahrenbewusstsein).
- Keine Geduld. Das Kind ist kaum in der Lage abzuwarten, bis es an der Reihe ist.
- Das Kind stört andere Kinder beim Spielen, platzt in Unterhaltungen von Erwachsenen hinein und mit Antworten heraus, bevor Fragen zu Ende gestellt sind.
Körperliche Unruhe
- Das ADHS-Kind fällt massiv durch Ruhelosigkeit und Zappeligkeit auf, besonders in Situationen, in denen Ruhe verlangt wird.
- Das ADHS-Kind hat Schwierigkeiten, ruhig zu spielen (außer bei seiner Lieblingsbeschäftigung) und liebt es, exzessiv zu klettern. Diese Unruhe scheint von der Umgebung und durch Auffoderungen kaum dauerhaft beeinflussbar zu sein. Das heißt im Klartext: Ermahnungen und Schimpfen nützen wenig. Im Gegenteil, es kann sein, dass eine negative Reaktion der Umwelt verstärkend wirkt.

Die o.g. Auffälligkeiten sind in verschiedenen Lebensbereichen zu beobachten, also nicht nur im Kindergarten, sondern auch in der Familie oder bei Freizeitaktivitäten. Nicht alle Kernsymptome müssen gleichermaßen auftreten und es gibt eine große Bandbreite im Schweregrad der Symptome.
Welche gravierenden Probleme treten häufig zusätzlich auf?
Die häufigsten Probleme, die bei Kindergartenkindern mit ADHS auftreten, sind oppositionelle und aggressive Verhaltensauffälligkeiten, ein Kind das so negativ auffällt, kann sich schlecht an Regeln halten, gerät oft in Streitereien mit Eltern, Erziehern und auch mit anderen Kindern. Es wird schnell wütend, provoziert andere und schiebt die Schuld für eigene Fehler auf andere. Darüber hinaus ist das ADHS-Kind möglicherweise sehr schnell reizbar, reagiert zornig und gerät in körperliche Auseinandersetzungen.
Zum Teil sind oppositionelles und aggressives Verhalten Teil einer normalen Entwicklung. Es gibt allerdings Kinder, bei denen diese Probleme vermehrt und über langen Zeitraum auftreten. Da heißt es schon mal Hinschauen und Beobachten und Handeln.
Weitere mögliche Begleiterscheinungen der ADHS im Kindergartenalter
Das ADHS-Kind hat oft Probleme mit der körperlichen Geschicklichkeit. In der Feinmotorik (Malen, Basteln) und auch in der Grobmotorik (Klettern, Turnen) tut es sich schwerer als andere Kinder in seinem Alter.
Die Lautbildung beim Sprechen kann erschwert sein, mit der Folge, dass das Kind schwer zu verstehen ist und auch der Wortschatz geringer ausfällt als bei Gleichaltrigen.
Manche Kinder haben auch Schwierigkeiten, Muster zu erkennen oder sich Gesichter zu merken (Puzzle, Gedächtnisspiele).
Folgen für das ADHS-Kind sind dramatisch
Gleichaltrige lehnen das ADHS-Kind ab, weil es durch seine Impulsivität und Hyperaktivität beim Spielen stört und/oder durch sein teilweise aggressives Verhalten negativ auffällt.
Die Beziehungen zu Erwachsenen sind ebenfalls belastet. Erziehende haben häufig Auseinandersetzungen mit dem Kind und kommen an ihre Grenzen. Ganz oft höre ich z.B. von Müttern, dass sie ihr Kind nicht mehr in den Griff bekämen und mit der Erziehung überfordert seien.
Die Folgen der vielen negativen Erfahrungen und Rückmeldungen liegen auf der Hand: Das ADHS-Kind leidet zunehmend an Unsicherheit und mangelndem Selbstvertrauen. Diese emotionalen Schwierigkeiten fallen zunächst nicht so auf, da sie von den für jeden sichtbaren Problemen überdeckt werden. Ist ja klar, Verhaltensauffälligkeiten springen förmlich ins Auge, weil sie mehr stören.
Der Teufelskreis ist eröffnet
Unsicherheit und mangelndes Selbstwertgefühl + Dissoziale Verhaltensauffälligkeiten
=
Beziehungsprobleme mit Erwachsenen und Ablehnung durch Gleichaltrige
sowie
Entwicklungsrückstände und Leistungsprobleme im späteren Schulalltag

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt?
Gut, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Aber Eltern wie auch Erziehende in der Kita können die Kernprobleme der ADHS vermindern.
Liebe Menschen, die ihr tagaus tagein mit einem ADHS-Kind zu tun habt, bitte versucht, ein umfassenderes Verständnis für die Probleme des Kindes zu entwickeln und die oftmals belastete Beziehung zu verbessern. Ihr könnt lernen, durch mehr Wissen und genaue Beobachtung häufiger vorauszusehen, wie das Kind reagieren könnte, und sich auf diese Weise für schwierige Situationen besser “wappnen”. Ich versuche z.B. bei meinen Betreuungskindern im Verhalten zu “lesen” wann eventuell ein “Overload” droht und kann damit oft das Schlimmste verhindern. Ok, vielleicht fällt es mir als selbst Betroffene aus dem Spektrum etwas leichter, hinter die Fassade des kleinen ADHS-Kindes zu schauen. Das heißt nicht, dass ich nicht auch an meine Grenzen stoße und besonders bei aggressivem Verhalten stark getriggert werde.
Ganz wichtig: Holt euch Hilfe
Wenn ein Kind Verhaltensauffälligkeiten zeigt, ist es ratsam, etwas zu unternehmen und zu verändern. Es gibt für Eltern verschiedene Hilfsangebote, und nicht zuletzt die pädagogische Fachkraft in der Kita kann da den einen oder anderen guten Tipp geben. Oft kommt sogar aus der Kita der entscheidende Hinweis, dass etwas schief läuft. Wichtig ist Informieren, Sensibilisieren, den Austausch suchen.
Auf der Seite „Quellen/Empfehlungen“ findest du den einen oder anderen Link zu mehr Informationen.


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