Hat etwas einen Namen, nimmt man diesen meist wörtlich und denkt nicht weiter nach. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung – ADHS – ist der Name für was? Natürlich eine Störung, steht ja da und es geht um Defizite. Aufmerksamkeitsdefizite und Hyperaktivität sind demnach die Symptome der Störung.
Begriff ist irreführend
Was will ich damit jetzt sagen, denkst du dir. Ist doch alles klar. Nein ist es nicht. Der Begriff ADHS ist total irreführend bzw. missverständlich. Für neurotypische Menschen liegt es auf der Hand, dass Betroffene sich nicht konzentrieren können und ständig unruhig zappeln. Da es sich ja vermeintlich um eine Störung handelt und es einige Defizite gibt, werden ADHS-Betroffene bei auffälligem Verhalten entsprechend als krank und gestört eingestuft, Kinder werden z.B. in die asoziale Ecke geschoben und als Lernschwach eingestuft, Erwachsene als verpeilt und chaotisch abgestempelt.
Aufmerksamkeitsüberschuss
Dabei handelt es sich bei ADHS eher um einen Aufmerksamkeitsüberschuss. Menschen mit ADHS haben einen Überschuss an Aufmerksamkeit, der unkontrolliert zwischen verschiedenen Reizen hin- und herspringt.
Ich kann mich zum Beispiel schlecht auf einen Reiz konzentrieren, weil mein Gehirn wohl offen ist für alles was um mich herum passiert. Ich nehme teils unwichtige Details wahr und gleichzeitig sind da noch diverse Sinneseindrücke die auf mich einströmen. Ich sehe buchstäblich die Fliege an der Wand während ich einem Gesprächspartner folge, und gleichzeitig schießen mir alle möglichen Gedanken und Assoziationen durch den Kopf, die Farbe an der Wand und ein bestimmter Geruch prasseln auf mich ein. Das ist durchaus ein Überschuss an Aufmerksamkeit der mich da ereilt. Alle Reize erscheinen gleich wichtig und fluten mein Gehirn gleichzeitig. Dazu kommt noch eine erhöhte emotionale Wahrnehmung, die mich Stimmungen anderer stärker spüren lässt. Es ist sehr schwer für mich, den Fokus zu lenken.
Der Begriff Defizit ist sehr problematisch. Er lenkt den Fokus in der Diagnose auf einen Mangel, nicht aber auf positive Aspekte. Das ADHS-Gehirn ist hochaktiv, wachsam und neugierig. Es fehlt nur manchmal die Fähigkeit, die Fülle an Aufmerksamkeit zu steuern.
Im Aufmerksamkeitsüberschuss liegen eine Menge Stärken:
Kreativität und Innovation: Das ADHS-Gehirn springt sehr schnell zwischen verschiedenen Themen hin- und her. Das führt zu ungewöhnlichen Verknüpfungen und guten Ideen. Viele kreative Köpfe in Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft haben ADHS.
Schnelle Problemlösungen: Der hyperaktive Geist kann blitzschnell viele Möglichkeiten durchdenken und unkonventionelle Problemlösungen finden.
Hohe Senisbilität für Details: ADHS-Betroffenen fallen Dinge auf, die andere übersehen. Das kann ein Detail in einem Projekt oder auch die Stimmung im Raum sein.
Stoffwechsel- und Funktionsstörung
Die Informationsverarbeitung des ADHS-Gehirns ist behindert, nicht der Mensch mit ADHS. Durch eine Stoffwechsel- und Funktionsstörung in seinem Gehirn kann er die dauernden neuen Impulse nicht genügend filtern. Die Folge ist eine permanente Reizüberflutung. Er leidet an einer gestörten Selbstregulation. Gleichzeitig ist der Zugriff auf vorhandene Informationen und Fähigkeiten eingeschränkt, was eine vorausschauende Handlungsplanung erschwert und für so manches “Blackout” verantwortlich ist. Da alle Eindrücke ungefiltert auf den Menschen mit ADHS einprasseln, steht er ständig unter einer großen Anspannung.
Was hilft?
Mit guten Ratschlägen halte ich mich ganz bewusst zurück. In meiner Betreuungsarbeit mit Kindern aus dem neurodiverganten Sprektrum haben sich bewährt: Klare Strukturen (Tagespläne und Routinen) und Aufgabenlisten mit Prioritäten, egelmäßige Pausen und viel Bewegung helfen „runterzukommen“. Bei Kindern ist es wichtig, zu erkennen wann ein „Overload“ im Anmarsch ist und rechtzeitig zu reagieren. Ganz individuell mit Bewegung oder auch Entspannung. Ein ADHS-Kind ist durchaus in der Lage zu „chillen“ um aus der Überforderung herauszufinden und damit neue Energien zu bündeln. Wenn eine Situation überfordert, hilft auf jeden Fall, dem betroffenen Kind zu helfen, diese zu verlassen.
Ach übrigens, das alles hilft auch dem Erwachsenen mit ADHS.


Hinterlasse einen Kommentar